"Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem": Das tollste Gekritzel der Saison (2024)

Nostalgisch, futuristisch, fantastisch: Die neuen Abenteuer der Ninja Turtles beweisen, dass auch ästhetisch wagemutige Animationsfilme große Kinoerfolge werden können.

Von Magdalena Pulz

"Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem": Das tollste Gekritzel der Saison (1)

Mutierte Schildkröten, die Pizza lieben, mit einer riesigen Ratte in der Kanalisation von New York City leben und mit ihren Super-Ninja-Fähigkeiten Bösewichte bekämpfen: Auf den ersten Blick wirkt das alles zu absurd, um massentauglich zu sein. Trotzdem dauert die Karriere der Teenage Mutant Ninja Turtles mittlerweile fast vier Dekaden an. Der Witz, ausgerechnet die symbolisch für Langsamkeit stehenden Tiere als Ninjas durch die Gegend hüpfen zu lassen, will einfach nicht alt werden. Es gibt Turtles-Comics und -Actionfiguren, mehrere Animationsserien, Computerspiele, nun läuft der siebte Film in den Kinos. Und wie man hört, soll Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem der bisher beste Film über die kämpfenden Schildkrötenjungs sein. Kann das stimmen?

Schon ihre erste Geheimmission in Mutant Mayhem zeigt, was diese neuen Turtles besonders macht: Leonardo, Michelangelo, Donatello und Raphael müssen diesmal die Deckung der Nacht nutzen – nicht, um mit ihren Ninja-Fähigkeiten direkt diverse Übeltäter zu verhauen, sondern um von Menschen ungesehen Einkäufe zu erledigen. Klopapier, eine Familienpackung Doritos, solche Sachen. Auf dem Weg über die Dächer New Yorks foppen sie sich die vier Teenager im Stimmbruch-Singsang gegenseitig und träumen zusammen davon, ein normales Leben zwischen den Menschen führen zu können. Die vier sind eine Gruppe ziemlich starker Halbstarker auf der Suche nach ihrem Platz in dieser Welt. Und obwohl sie grün sind und nur drei statt fünf Finger an jeder Hand haben, sind sie damit auch irgendwie normal. Später werden dann selbstverständlich doch noch jede Menge Bösewichte verkloppt.

Der Regisseur Jeff Rowe erzählt dabei die origin story der Turtles, eine klassische Erzählung vom verrückten Wissenschaftler, der heimlich an einem Mittelchen forscht: das knallgrüne, radioaktive Ooze, das Tiere mutieren lässt und eher zufällig über den vier bis dato normalen Babyschildkröten ausläuft. Die Ratte Splinter, ebenfalls vom Ooze verändert, sorgt erstaunlich liebevoll als eine Art alleinerziehender Stiefvater für die Kleinen. "Wir sind eine Familie", sagt Splinter, gesprochen von niemand Geringerem als Jackie Chan. Er ist es auch, der die Schildkröten zu Ninjutsu-Spezialisten ausbildet, damit sie sich gegen die Menschenwelt zur Wehr setzen können. Immer droht schließlich das Horrorszenario, dass die Menschen die Turtles "melken" wollen – was auch immer das heißen soll.

Ein Ninjakrieger mit Zahnspange

Aber wie der Titelzusatz Mutant Mayhem (zu Deutsch "Mutanten-Chaos") schon vermuten lässt, sind die fünf nicht die einzigen Tiere mit speziellen Fähigkeiten. Das Fliegenmonster Superfly, im englischen Original mit Gravität und unnachahmlicher Coolness von dem Rapper Ice Cube gesprochen, hat ganz ähnlich schlechte Erfahrungen mit den Menschen dieser Welt gemacht wie Splinter und seine Kids, aber natürlich ganz andere Schlüsse daraus gezogen: Die Menschen müssen weg. Klar, dass die Turtles alles versuchen, um das zu verhindern, und sei es nur, um sich so den Menschen beweisen zu können und endlich auf eine normale Highschool gehen zu dürfen. Ist das der einfallsreichste Plot aller Zeiten? Natürlich nicht. Aber das muss er auch nicht sein. Es ist ein Teenagerfilm, und darin ist er wirklich gut.

Obwohl das Wort "Teenage" von Beginn der Franchise an Teil des Markennamens war, repräsentieren die Turtels in den sechs bisherigen Filmen nicht die Fünfzehnjährigen, die sie eigentlich sein sollten. Gerade in den letzten Real-Live-Verfilmungen waren Leonardo und die anderen eher riesige Reptilienmonster auf zwei Beinen als Heranwachsende. Und so klangen sie auch, hatten tiefe Männerstimmen, die sich in den frühen Filmen auch mal cartoonig hochgepitcht anhörten, aber niemals authentisch jung.

In Mutant Mayhem sind die englischen Originalsprecher nun eben zum ersten Mal wirkliche Teenager. Die Turtles sehen auch aus wie knapp vor dem nächsten Wachstumsschub, Michelangelo trägt sogar eine feste Zahnspange. Offensichtlich geben sich die Filmemacher Mühe, die junge Generation anzusprechen, samt Jugendslang. Prominent werden etwa die Worte "Rizz" und "sus" platziert, dazu viele popkulturelle easter eggs versteckt, es geht um Beyoncé, TikTok und das beliebte Anime Attack on Titan.

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Der aufwendige Animationsstil unterstützt dieses junge, chaotische Grundgefühl von Mutant Mayhem. Die durch Zeichenelemente angereicherten 3-D-Animationen erinnern ästhetisch an die neuen Spider-Verse-Filme, 2018 war dieser Stil im Film Spider-Man: A New Universe erstmals auf der großen Leinwand zu sehen. In einem Interview mit Variety sagte der Regisseur Rowe kürzlich, Spider-Verse habe gezeigt: Filme könnten heute wie Concept-Art aussehen, also wie die Skizzen, die Animationsfilmen (und oft auch anderen Filmen) als Styleguide zugrunde liegen, und trotzdem sowohl von Kritikern gelobt werden als auch finanziell erfolgreich sein.

Mutant Mayhem ist in seiner Optik sogar noch ein wenig unaufgeräumter als die Spider-Verse-Filme. Statt mit den für Comics charakteristischen klaren Linien zu arbeiten, entwerfen die Filmemacher eine dunkle und krakelige Welt, die ein bisschen aussieht wie Notizblock-Kritzeleien aus der dritten Stunde Matheunterricht. Kontrastiert wird das Ganze durch leuchtende Neonfarben: ein fantastischer Look.

Vielleicht ist das genau der Grund, warum diese neue Verfilmung des alten Stoffes so gut funktioniert: Er passt zu den Turtles. Betrachtet man die originalen Schwarz-weiß-Comics von Kevin Eastman und Peter Laird, sind diese auch in dem für die Achtzigerjahre typischen, etwas düsteren Stil gezeichnet. Laird hat sich immer wieder negativ über frühere, leichter verdauliche Verfilmungen geäußert, schließlich waren die Ur-Turtles ziemlich düster und brutal. Gleichzeitig sind die Schildkröten in ihrem Wesen durchaus humoristisch: Eigentlich waren die anthropomorphen Tiere als eine Art Meta-Gag über Heldenklischees der Comicindustrie gedacht, als satirische Übertreibung, die mit der Absurdität spielt, sich aber trotzdem selbst ernst nimmt.

Eine gute Ninja-Turtles-Verfilmung braucht also all diese Elemente: das Düstere, das Alberne und eine Prise Anarchie. Mutant Mayhem hat all das. Wer ihn sich also anschaut, sollte die Sache nicht zu ernst, aber doch ernst genug nehmen. Und ansonsten: Bitte keine Schildkröten melken.

"Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem" läuft in deutschen Kinos.

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